Christoph Doswald, Kurator und Vorsitzender der Arbeitsgruppe KiöR (Kunst im öffentlichen Raum Zürich) gibt detailliert Auskunft über das Grossprojekt „Neuer Norden Zürich“. Er erläutert Hintergrundinformation zu Künstlern und ihren Werken im Kontext der Veränderung und Entwicklung der Stadt.
Man ist dazu verleitet, sich die Augen zu reiben, wenn man auf die Arbeit von Benedikte Bjerre in Zürich-Schwamendinge trifft: Ein lebensgrosses Kamel steht unterhalb der Aubrücke auf einem Stück Wiese – dort, wo sich der Zürcher Warenverkehr mit Lärm- und Abgassemissionen und einer bekannten Trucker-Beiz manifestiert. Quelle: neuernorden.org
QuartierTV in Zusammenarbeit mit KiöR / Kunst im öffentlichen Raum Zürich
Die Idee zu Haus wurde erstmals von Peter Fischli (*1952) und David Weiss (1946 – 2012) anlässlich der Skulptur Projekte Münster im Jahr 1987 umgesetzt. Dort sollte das vierstöckige Geschäftsgebäude sich im Massstab 1:5 atmosphärisch «in Bahnhofsnähe zwischen dem Kino und der Würstchenbude» in das Stadtbild Münsters eingliedern. Nach Ausstellungsschluss wurde es demontiert – und 2016 zur Retrospektive von Fischli / Weiss im Guggenheim Museum in New York nach den Originalplänen neu in Aluminiumguss erstellt.
Seit Mai 2018 ist das Werk auf einer Wiese vor der Offenen Rennbahn Oerlikon dauerhaft installiert. Quelle: neuernorden.org
QuartierTV in Zusammenarbeit mit KiöR / Kunst im öffentlichen Raum Zürich
Würden wir auf Zürich-Nord aus der Vogelperspektive schauen, könnten wir eine komplexe Struktur aus Linien und Streifen erkennen. Es sind Fahrbahnkanten und Mittellinien, Parkplatzmarkierungen oder auch Fussgängerstreifen. Sie regeln den Verkehr, ordnen Fussgängerströme und arrangieren parkende Autos. Genau das interessiert Raphael Hefti (*1978, CH): Für sein Projekt im Neuen Norden Zürich wählte er einen besonderen Ort, den grossen öffentlichen Parkplatz neben der Offenen Rennbahn Oerlikon. Quelle: neuernorden.org
QuartierTV in Zusammenarbeit mit KiöR / Kunst im öffentlichen Raum Zürich
Die Zürcher Künstlerin Ruth Erdt (*1965, CH) lichtet seit Jahren die unmittelbare Umgebung ihres Wohnortes Zürich-Schwamendingen ab. Aus ihren Streifzügen hat sich das Langzeitprojekt Lokaltermin Schwamendingen entwickelt, die künstlerische Bestandsaufnahme eines sich zunehmend verändernden Quartiers. Der Transfer des Bilderreigens von Schwamendingen in das benachbarte Seebach ist deshalb kein zufälliger. Er erinnert in dem von Wohn- und Arbeitstürmen umsäumten Park daran, dass hier alles bereits stattgefunden hat: Abbruch, Umbau, Neubau. Quelle: neuernorden.org
QuartierTV in Zusammenarbeit mit KiöR / Kunst im öffentlichen Raum Zürich
Afrika sei Teil seiner Identität, sagt Barceló. Gran Elefandret, ein fast acht Meter hohes Kunstwerk, ist eine spektakuläre autobiografische Skulptur: «Wenn ein blinder Riese mit seiner kolossalen Hand diese Skulptur fühlen könnte, würde er sagen, es ist definitiv ein Bronzebaum. Aus der Ferne sehen wir eine Masse, eine Kugel auf einer Stange: einen Baum. In einer Landschaft oder einem Garten sieht es aus wie ein Baum in weisser Blüte – das Abbild des Elefanten wird erst wenige Augenblicke später erkannt. Zuerst ein weisser Baum, dann plötzlich ein Elefant. In diesem Moment geschieht etwas Aussergewöhnliches, etwas das Teil der Kindheit ist. Präverbal. So schnell wie ein Funke. Es ist nicht von Dauer. Es ist der Kontrast zwischen dieser Sinneswahrnehmung und dem Gewicht des metallischen Dickhäuters, der mich besonders erfreut. Quelle: neuernorden.org
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Die Schwamendinger Baugenossenschaften erneuern aktuell einige der in die Jahre gekommenen Siedlungen. Der international bekannte Künstler Nic Hess, der in Schwamendingen aufwuchs und heute mit seiner Familien wieder wohnt, hat bei Hausabbrüchen genossenschaftliche Fensterläden abtransportiert und nun beim Bahnhof Stettbach zu einem Kunstwerk aufgebaut. «Ladenschluss», so der Künstler, «setzt den Fensterläden ein zeitlich begrenztes zweites Leben und symbolisiert das Verschwinden von Althergebrachtem.» Das im Rahmen der Open-air-Ausstellung Neuer Norden Zürich aufgebaute Kunstwerk kann bis 2. September angeschaut und begangen werden.
Der Grillplatz des Hunziker-Areals in Zürich-Leutschenbach dient diesen Juni als temporäre Alu-Sammelstelle. Auf den ersten Blick hat die Installation, die eher einem Vermittlungsprojekt für den nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen gleicht, wenig mit einem Kunstwerk gemein. Erst im Laufe der Ausstellung Neuer Norden Zürich wird die dahinterliegende künstlerische Idee an Form gewinnen. Die in Zürich lebenden Künstler Stefan Baltensperger (*1976, CH) und David Siepert (*1983, DE) laden die Bevölkerung ein, Altmetall aus Aluminium für den Guss einer Glocke beizusteuern und durch die Abgabe persönlicher Gegenstände an der Herstellung des Kunstwerks teilzuhaben. An dem Ort, an dem über mehrere Wochen das gespendete Material in Sammlungscontainern an Masse zulegt, wird später eine Glocke direkt in den Boden gegossen und dort verbleiben. Lediglich der oberste Teil, bestehend aus Hals und Krone, soll nach der Aktion wie ein hüfthoher Poller, einem archäologischen Relikt ähnlich, aus der Erde herausragen.
Durch ihr Verbleiben im Erdreich des Hunziker-Areals wird der Klang der «Leutschenbacher Glocke» nicht zu hören sein, und doch klingt in ihr der vorausgegangene gemeinschaftlichen Akt nach. In der genossenschaftlichen Wohn- und Gewerbeanlage «mehr als wohnen», in der Mitwirkungsprozesse eine wichtige Rolle spielen, wird das vergrabene Kunstwerk zum Erinnerungsstück einer kollektiven Erfahrung, zum Sinnbild eines gemeinsamen Neubeginns.
Hunziker-Areal
Hagenholzstrasse 104b
8050 Zürich
Unterstützt von: IGORA – Genossenschaft für Aluminium-Recycling und Baugenossenschaft mehr als wohnen, Zürich
Quelle: KiöR / Kunst im öffentlichen Raum Zürich